Fahrscheinloser Nahverkehr ist eine realistische Perspektive

Einfach einsteigen und losfahren, ohne vorher hastig nach Kleingeld für das Ticket zu suchen und ohne lästige Kontrollen. Wir sind überzeugt: fahrscheinloser ÖPNV ist machbar. Als nächsten Schritt nach Senkung des Preises für das Sozialticket und Umsonstticket für Kinder mit Berlin-Pass, schlagen wir freie Fahrt für alle bis 16 Jahre vor.

 

Ein Gastbeitrag von Katina Schubert auf causa.tagesspiegel.de

In Berlin zügig und wann immer wann will von A nach B zu kommen, ist eine Herausforderung. Das ist auch nicht weiter verwunderlich in einer Stadt mit mehr als 3,5 Millionen Einwohner*innen und einer ja doch erheblichen Ausdehnung. Und im Vergleich zu anderen Großstädten oder gar zum ländlichen Raum geht es uns, was die öffentlichen Verkehrsmittel anbetrifft, sogar ganz gut.

Zugang zu Mobilität soll nicht vom Wohnort, Autobesitz, Gesundheitszustand oder Geldbeutel abhängen.

Aber: das ist für uns nicht gut genug. Mobilität für alle: das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass auch alle nach ihren Wünschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Der Zugang zu Mobilität soll weder vom Wohnort, vom Besitz eines Autos, vom Gesundheitszustand und auch nicht vom Geldbeutel abhängen. Das ist unser Ziel. Die Berlinerinnen und Berliner in Marzahn, Hohenschönhausen, Köpenick, oder Lübars müssen genauso mobil sein können und mit Öffentlichen durch Berlin kommen wie die Berliner*innen aus dem S-Bahn-Ring. Auf dem Weg dorthin sind wir bereits erste Schritte gegangen: der Preis für das Sozialticket wurde im letzten Jahr deutlich gesenkt, der Empfängerkreis auf Wohngeldbeziehende und Empfangende von NS-Opferrente und von SED-Opferrente erweitert, die jährlichen Preiserhöhungen bei den Tickets wurden ausgesetzt, Kinder von Hartz-IV-Beziehenden fahren ab Sommer kostenlos. Aber das reicht uns nicht und kann nur der Anfang sein.

Die alleinige Fixierung auf den Autoverkehr hat keine Zukunft mehr.

Mittlerweile nehmen die Verkehrsmeldungen im Radio mehr Platz ein als die eigentlichen Nachrichten. Berlins Straßen sind verstopft, Dauerstaus an der Tagesordnung. Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung die Folge. Von den genervten Berlinerinnen und Berlinern ganz zu schweigen. Die alleinige Fixierung auf den Autoverkehr hat keine Zukunft mehr. Das geht nicht gegen das Auto, ich fahre selber Auto, wenn es nicht anders geht, sondern wir streiten für Mobilität für alle, und dabei legen wir den Schwerpunkt auf ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Verkehrsmittel: das sind allem voran Busse und Bahnen, Fahrräder und unsere Füße.

Das Ziel eines fahrscheinlosen Nahverkehrs ist sozial und ökologisch.

Wie aber können wir die Weichen neu stellen, weg vom motorisierten Individualverkehr mit seinen vielen negativen Folgen für Mensch und Umwelt und in Richtung Fuß- und Radverkehr sowie zum öffentlichen Nahverkehr? Mit dem bundesweit ersten Mobilitätsgesetz ist die rot-rot-grüne Koalition Vorreiter. Wir meinen es ernst mit der Verkehrswende: Wir setzen auf einen gut ausgebauten und attraktiven öffentlichen Nahverkehr, flankiert von einem massiven Ausbau des Fuß- und Radverkehrs. Und wir wollen einen großen Schritt weitergehen:  Mittelfristig wollen wir einen fahrscheinlosen Nahverkehr in Berlin. Die Bundesregierung hat das Thema im Februar selbst auf die Agenda gesetzt.

Das Ziel eines fahrscheinlosen Nahverkehrs ist sozial und ökologisch. Sozial, weil er die Teilhabe aller am öffentlichen Leben ermöglicht, ökologisch weil er mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV bewegt. Weniger Autoverkehr senkt den Ausstoß an Klimagasen, reduziert die gesundheitsgefährdende Belastung mit Luftschadstoffen und schafft Platz in den Städten.

Beispiele aus Städten, in denen der fahrscheinlose ÖPNV im öffentlichen Nahverkehr eingeführt wurde, zeigen, dass hiermit eine deutliche Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel erreicht werden konnte.

Fahrscheinloser Nahverkehr muss stufenweise eingeführt werden, zunächst für Kinder bis 16 Jahre.

S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Busse sind jedoch bereits heute oft an ihrer Belastungsgrenze. Deshalb müssen das Angebot ausgebaut und die Qualität deutlich gesteigert werden. Zusätzliche Verbindungen, Ausbau der Strecken, mehr Fahrzeuge, mehr Personal, engere Fahrzeittakte – all das geht nicht von heute auf morgen. Zumal der Investitionsstau auch bei den Verkehrsbetrieben beseitigt werden muss, damit die Kapazitäten deutlich nach oben gehen können. Das bedeutet, dass der fahrscheinlose Nahverkehr  stufenweise eingeführt werden muss.  Wir schlagen vor, zunächst alle Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre kostenlos fahren zu lassen. Demütigende Kontrollen bei Kindern würden damit wegfallen, stattdessen lernen Kinder von früh an, sich sicher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen.

Schwarzfahren darf nicht länger Straftat sein.

Auf dem Weg zum ticketlosen Nahverkehr muss das bisherige Ticketsystem insgesamt überarbeitet und der Tarifdschungel zumindest gelichtet werden. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag eine Arbeitsgruppe vereinbart. Schwarzfahren darf nicht länger Straftat sein. Das ist nicht nur unverhältnismäßig, das bindet bei Polizei und Justiz Kräfte, die anderswo viel sinnvoller zu nutzen sind.

Ende der Diesel-Subventionierung, City-Maut, Nahverkehrsabgabe könnten fahrscheinlosen Nahverkehr finanzieren.

Für die Finanzierung eines fahrscheinlosen ÖPNV gibt es zahlreiche Vorschläge. Eine Möglichkeit ist, ihn über die öffentlichen Haushalte zu finanzieren, indem zum Beispiel Diesel nicht mehr subventioniert wird. Eine andere ist, eine City-Maut und eine Nahverkehrsabgabe zu erheben. Die Einführung eines Bürgertickets ist eine Möglichkeit und eine Infrastrukturabgabe, die die Unternehmen aufbringen, die von der guten Erreichbarkeit durch den Nahverkehr profitieren sind genauso denkbar. Die rot-rot-grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, bis Ende 2019 eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, in der die verschiedenen Finanzierungsmodelle untersucht werden. Und dann muss ein realistisches Konzept mit einer umsetzbaren Zeitperspektive Schritt für Schritt entwickelt werden.

Niemanden zwangsbeglücken, aber mehr Möglichkeiten schaffen.

Diese Welt verändert sich schnell. Wir wollen, dass sie sich so verändert, dass die Menschen in ihr mitkommen können, dass sie sich auch mitgenommen fühlen. Wir wollen niemanden zwangsbeglücken, aber wir wollen mehr Möglichkeiten, mit Öffentlichen von A nach B zu kommen und wir wollen allen die Wahl lassen, ob sie günstig mit dem Rad oder dem ÖPNV fahren oder ob sie doch lieber wieder ins Auto steigen. Es werden deutlich weniger Menschen sein als jetzt, wenn es gute Alternativen gibt.

Wir sind überzeugt: Fahrscheinloser Nahverkehr ist eine realistische Perspektive, möglich und der richtige Hebel für die dringend benötigte sozial-ökologische Verkehrswende.

Fahrscheinloser Nahverkehr ist eine realistische Perspektive

Einfach einsteigen und losfahren, ohne vorher hastig nach Kleingeld für das Ticket zu suchen und ohne lästige Kontrollen. Wir sind überzeugt: fahrscheinloser ÖPNV ist machbar. Als nächsten Schritt nach Senkung des Preises für das Sozialticket und Umsonstticket für Kinder mit Berlin-Pass, schlagen wir freie Fahrt für alle bis 16 Jahre vor.

Ein Gastbeitrag von Katina Schubert auf causa.tagesspiegel.de


 

In Berlin zügig und wann immer wann will von A nach B zu kommen, ist eine Herausforderung. Das ist auch nicht weiter verwunderlich in einer Stadt mit mehr als 3,5 Millionen Einwohner*innen und einer ja doch erheblichen Ausdehnung. Und im Vergleich zu anderen Großstädten oder gar zum ländlichen Raum geht es uns, was die öffentlichen Verkehrsmittel anbetrifft, sogar ganz gut.

Zugang zu Mobilität soll nicht vom Wohnort, Autobesitz, Gesundheitszustand oder Geldbeutel abhängen.

Aber: das ist für uns nicht gut genug. Mobilität für alle: das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass auch alle nach ihren Wünschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Der Zugang zu Mobilität soll weder vom Wohnort, vom Besitz eines Autos, vom Gesundheitszustand und auch nicht vom Geldbeutel abhängen. Das ist unser Ziel. Die Berlinerinnen und Berliner in Marzahn, Hohenschönhausen, Köpenick, oder Lübars müssen genauso mobil sein können und mit Öffentlichen durch Berlin kommen wie die Berliner*innen aus dem S-Bahn-Ring. Auf dem Weg dorthin sind wir bereits erste Schritte gegangen: der Preis für das Sozialticket wurde im letzten Jahr deutlich gesenkt, der Empfängerkreis auf Wohngeldbeziehende und Empfangende von NS-Opferrente und von SED-Opferrente erweitert, die jährlichen Preiserhöhungen bei den Tickets wurden ausgesetzt, Kinder von Hartz-IV-Beziehenden fahren ab Sommer kostenlos. Aber das reicht uns nicht und kann nur der Anfang sein.

Die alleinige Fixierung auf den Autoverkehr hat keine Zukunft mehr.

Mittlerweile nehmen die Verkehrsmeldungen im Radio mehr Platz ein als die eigentlichen Nachrichten. Berlins Straßen sind verstopft, Dauerstaus an der Tagesordnung. Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung die Folge. Von den genervten Berlinerinnen und Berlinern ganz zu schweigen. Die alleinige Fixierung auf den Autoverkehr hat keine Zukunft mehr. Das geht nicht gegen das Auto, ich fahre selber Auto, wenn es nicht anders geht, sondern wir streiten für Mobilität für alle, und dabei legen wir den Schwerpunkt auf ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Verkehrsmittel: das sind allem voran Busse und Bahnen, Fahrräder und unsere Füße.

Das Ziel eines fahrscheinlosen Nahverkehrs ist sozial und ökologisch.

Wie aber können wir die Weichen neu stellen, weg vom motorisierten Individualverkehr mit seinen vielen negativen Folgen für Mensch und Umwelt und in Richtung Fuß- und Radverkehr sowie zum öffentlichen Nahverkehr? Mit dem bundesweit ersten Mobilitätsgesetz ist die rot-rot-grüne Koalition Vorreiter. Wir meinen es ernst mit der Verkehrswende: Wir setzen auf einen gut ausgebauten und attraktiven öffentlichen Nahverkehr, flankiert von einem massiven Ausbau des Fuß- und Radverkehrs. Und wir wollen einen großen Schritt weitergehen:  Mittelfristig wollen wir einen fahrscheinlosen Nahverkehr in Berlin. Die Bundesregierung hat das Thema im Februar selbst auf die Agenda gesetzt.

Das Ziel eines fahrscheinlosen Nahverkehrs ist sozial und ökologisch. Sozial, weil er die Teilhabe aller am öffentlichen Leben ermöglicht, ökologisch weil er mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV bewegt. Weniger Autoverkehr senkt den Ausstoß an Klimagasen, reduziert die gesundheitsgefährdende Belastung mit Luftschadstoffen und schafft Platz in den Städten.

Beispiele aus Städten, in denen der fahrscheinlose ÖPNV im öffentlichen Nahverkehr eingeführt wurde, zeigen, dass hiermit eine deutliche Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel erreicht werden konnte.

Fahrscheinloser Nahverkehr muss stufenweise eingeführt werden, zunächst für Kinder bis 16 Jahre.

S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Busse sind jedoch bereits heute oft an ihrer Belastungsgrenze. Deshalb müssen das Angebot ausgebaut und die Qualität deutlich gesteigert werden. Zusätzliche Verbindungen, Ausbau der Strecken, mehr Fahrzeuge, mehr Personal, engere Fahrzeittakte – all das geht nicht von heute auf morgen. Zumal der Investitionsstau auch bei den Verkehrsbetrieben beseitigt werden muss, damit die Kapazitäten deutlich nach oben gehen können. Das bedeutet, dass der fahrscheinlose Nahverkehr  stufenweise eingeführt werden muss.  Wir schlagen vor, zunächst alle Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre kostenlos fahren zu lassen. Demütigende Kontrollen bei Kindern würden damit wegfallen, stattdessen lernen Kinder von früh an, sich sicher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen.

Schwarzfahren darf nicht länger Straftat sein.

Auf dem Weg zum ticketlosen Nahverkehr muss das bisherige Ticketsystem insgesamt überarbeitet und der Tarifdschungel zumindest gelichtet werden. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag eine Arbeitsgruppe vereinbart. Schwarzfahren darf nicht länger Straftat sein. Das ist nicht nur unverhältnismäßig, das bindet bei Polizei und Justiz Kräfte, die anderswo viel sinnvoller zu nutzen sind.

Ende der Diesel-Subventionierung, City-Maut, Nahverkehrsabgabe könnten fahrscheinlosen Nahverkehr finanzieren.

Für die Finanzierung eines fahrscheinlosen ÖPNV gibt es zahlreiche Vorschläge. Eine Möglichkeit ist, ihn über die öffentlichen Haushalte zu finanzieren, indem zum Beispiel Diesel nicht mehr subventioniert wird. Eine andere ist, eine City-Maut und eine Nahverkehrsabgabe zu erheben. Die Einführung eines Bürgertickets ist eine Möglichkeit und eine Infrastrukturabgabe, die die Unternehmen aufbringen, die von der guten Erreichbarkeit durch den Nahverkehr profitieren sind genauso denkbar. Die rot-rot-grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, bis Ende 2019 eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, in der die verschiedenen Finanzierungsmodelle untersucht werden. Und dann muss ein realistisches Konzept mit einer umsetzbaren Zeitperspektive Schritt für Schritt entwickelt werden.

Niemanden zwangsbeglücken, aber mehr Möglichkeiten schaffen.

Diese Welt verändert sich schnell. Wir wollen, dass sie sich so verändert, dass die Menschen in ihr mitkommen können, dass sie sich auch mitgenommen fühlen. Wir wollen niemanden zwangsbeglücken, aber wir wollen mehr Möglichkeiten, mit Öffentlichen von A nach B zu kommen und wir wollen allen die Wahl lassen, ob sie günstig mit dem Rad oder dem ÖPNV fahren oder ob sie doch lieber wieder ins Auto steigen. Es werden deutlich weniger Menschen sein als jetzt, wenn es gute Alternativen gibt.

Wir sind überzeugt: Fahrscheinloser Nahverkehr ist eine realistische Perspektive, möglich und der richtige Hebel für die dringend benötigte sozial-ökologische Verkehrswende.