Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung: Senat bleibt bei Inklusion untätig
Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember kommentiert Katina Schubert, die inklusionspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus Berlin:
„In Berlin leben über 400.000 Menschen mit Schwerbehinderung. Doch trotz der Fortschritte in vielen Bereichen bleibt die Realität oft ernüchternd: Menschen mit Behinderungen sind weiterhin deutlich stärker von Armut bedroht und haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, gleichberechtigt am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzunehmen. Spätestens seit der zweiten Staatenprüfung liegen die Probleme eigentlich klar und deutlich offen, doch der Senat bleit weitestgehend untätig.
Das Berliner Landesrecht wird den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) nach wie vor nur eingeschränkt gerecht. Eine vollständige Normenprüfung der Rechtsvorschiften in Berlin erfolgt bisher nicht. Dies wäre jedoch dringend geboten um weitere Diskriminierungen zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Besonders im Bereich der Arbeitsmarktintegration gibt es nach wie vor große Herausforderungen. Menschen mit Behinderungen haben weiterhin einen erschwerten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt und leiden deutlich häufiger unter Arbeitslosigkeit. Zu viele Menschen verbleiben in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, während die Übergänge auf den regulären Arbeitsmarkt nur selten gelingen. Für die Wirtschaft fehlen starke Anreize, damit sie ihre Beschäftigungspflicht für Menschen mit Behinderungen konsequent erfüllen. Der geplante Ausbau von Maßnahmen, wie die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für landeseigene Unternehmen ab dem 1. Januar 2025, droht an der Untätigkeit der Koalition zu scheitern. Kurz vor Jahreswechsel muss leider davon ausgegangen werden, dass dieses wichtige Vorhaben nicht wie angekündigt umgesetzt wird.
Auch in den Bereichen Mobilität und Teilhabe mangelt es an Lösungen, die allen Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte und chancengleiche Teilnahme am Stadtleben ermöglichen. Das sogenannte Arbeitgeber*innenmodell, bei dem Assistenznehmer*innen selbst die Arbeitgeberrolle übernehmen und ihre Assistenzkräfte direkt beschäftigen, bietet viele Vorteile für die Selbstbestimmung. Doch dieses Modell steht unter Druck: Der Senat weigert sich, die Tarifverträge vollständig zu refinanzieren, was die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber klassischen Assistenzdiensten einschränkt. Damit wird die Selbstbestimmung der Menschen, die auf dieses Modell angewiesen sind, massiv beeinträchtigt. Ebenso mangelt es an dem Bestreben, die Eigenbeteiligung am Sonderfahrdienst zu senken oder abzuschaffen obwohl der Sonderfahrdienst für viele Betroffene ein zentraler Baustein ihrer Mobilität ist.
Zusätzlich stellt der Finanzsenator öffentlich die Qualitätsstandards in der Eingliederungshilfe in Frage. Dies birgt die Gefahr, dass die Versorgungsqualität für Menschen mit Behinderungen abgesenkt wird – ein inakzeptabler Schritt, der die ohnehin prekäre Lage vieler Betroffener weiter verschärfen würde.
Ein weiteres wichtiges Instrument, der Partizipationsfonds, steht unter Haushaltsvorbehalt. Diese Unsicherheit gefährdet Projekte, die Menschen mit Behinderungen eine stärkere Stimme geben.
Berlin muss eine inklusive Stadt werden, in der Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt am Arbeitsleben, Stadtleben und an Freizeitangeboten teilnehmen können. Dies erfordert entschlossenes Handeln und den politischen Willen, die Gleichberechtigung und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger konsequent zu fördern. Diese Bestrebungen vermisse ich beim aktuellen Senat schmerzlich.
Gerarde wegen der aktuellen Umstände freue ich mich umso mehr, dass am 7. Dezember erneut das Berliner Behindertenparlament im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses tagen wird. Es bietet Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit ihre Anliegen, Bedürfnisse und Perspektiven direkt in den öffentlichen und politischen Diskurs einzubringen. Ich unterstütze dieses Projekt der politischen Teilhabe und Inklusion von Menschen“