Deutsche Wohnen & Co enteignen bleibt auf der Tagesordnung

Beschluss der Fraktion DIE LINKE. im Abgeordnetenhaus von Berlin

Einstimmig beschlossen auf der Fraktionsklausur am Samstag, den 5. März 2022

Eine deutliche Mehrheit der Berliner:innen hat sich am 26. September für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ausgesprochen und damit dem Senat einen klaren Handlungsauftrag zur Umsetzung aufgetragen. Weder die Kampagne noch ihre lila Westen und gelben Plakate sind mehr aus der Stadt wegzudenken, die Vergesellschaftung von Grund und Boden privater Immobilienunternehmen ist seit Jahren auf der politischen Tagesordnung. Dass das so bleibt, ist auch unsere Aufgabe. Wir sind die einzige parlamentarische Vertretung der „Vergesellschaftungs-Lobby“, die eindeutig für die Vergesellschaftung eintritt. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid besteht unsere Aufgabe im Senat und im Parlament nun darin, ein Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten und zu verabschieden. Wir wollen Geschichte schreiben und zum ersten Mal überhaupt Art. 15 GG zur Anwendung bringen.

Unser Verständnis für die Expert:innenkommission: Wege zur Umsetzung aufzeigen

Die Expert:innenkommission soll nach der Festlegung des Koalitionsvertrages Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Vergesellschaftung aufzeigen. Zahlreiche Rechtsgutachten – teilweise selbst vom Senat oder von der Linksfraktion beauftragte – belegen bereits die grundsätzliche Zulässigkeit der Vergesellschaftung. Die Kommission sollte vor diesem Hintergrund den Fokus auf die Herausarbeitung des „Wie“ der Vergesellschaftung legen. Arbeitsziel sollte die Erarbeitung von Eckpunkten für ein möglichst rechtssicheres Gesetz sein, das vor den Gerichten Bestand hat.

Die Kommission soll grundsätzlich und so weit wie möglich öffentlich tagen, in regelmäßigen Abständen öffentlich über ihre Zwischenergebnisse berichten und in geeigneter Weise einen Austausch mit Parlament, Senat, der Fachöffentlichkeit und der Zivilgesellschaft ermöglichen. Uns ist eine kollaborative Struktur und Arbeitsweise auf Augenhöhe und eine Viertelparität innerhalb der Kommission wichtig. Darüber hinaus werden wir in unserem Verantwortungsbereich als Fraktion dafür Sorge tragen, dass der gesamte politische Prozess zur Umsetzung des Volksentscheides so diskursiv und transparent wie möglich mit der Stadtgesellschaft begleitet werden kann.

Die Kommission soll in der juristischen und öffentlichen Debatte aufgeworfene offene Punkte beraten. Dies sind z.B. folgende Fragen:

  • Wie kann die Überführung von Grund und Boden aus dem Besitz von Immobilienunternehmen praktisch erfolgen?
  • Welche Bewirtschaftungsziele und Miethöhenvorgaben sollen für vergesellschaftete Immobilienbestände gelten, damit diese einer „Vergesellschaftung“ entsprechen?
  • Welche Struktur soll die künftige Institution zur Bewirtschaftung der vergesellschafteten Immobilienbestände haben und wie können hier demokratische Kontrolle und umfassende Mieter:innenmitbestimmung sichergestellt werden?
  • Wie kann eine sehr deutlich unter dem Verkehrswert angesetzte Entschädigung konkret geregelt werden und welche Berechnungsgrundlage ist dafür zu wählen?
Vergesellschaftung praktisch machen

Vergesellschaftung: notwendig, rechtssicher, leistbar

Wohnen ist für uns Teil Sozialer Infrastruktur. Unsere Wohnungspolitik ist darauf gerichtet für eine starke öffentliche Verantwortung und eine weitgehend „marktferne“ Organisation des Wohnens zu sorgen und gleichzeitig eine umfassende demokratische Kontrolle zu organisieren – also das Wohnen zu „vergesellschaften“. Um das Thema auf der politischen Agenda zu halten, gehört deshalb auch, dass wir durch klare Bezüge auch zu anderen wohnungspolitischen Forderungen herausarbeiten, dass wir mit „Vergesellschaftung“ einen roten Faden verfolgen und so unseren Einsatz als Gesamtprojekt kenntlich machen. Und auch verdeutlichen: Vergesellschaftung gehört zum linken Markenkern!

Für die weitere Thematisierung der Vergesellschaftung werden wir nicht nur einen juristischen Zugang wählen, der außerhalb der Fachdebatte und des Parlaments kaum nachvollziehbar ist, sondern vor allem herausarbeiten, welche positiven Folgen die Vergesellschaftung bringt und was sich für die Mieter:innen in der Stadt konkret ändern würde – also etwa:
 (1) maßgeblicher Einfluss auf die Mietpreisentwicklung in der ganzen Stadt;
 (2) Bereitstellung ausreichend bezahlbaren Wohnraums für besondere Bedarfsgruppen;
 (3) Schaffung langfristig sicherer Wohnverhältnisse ohne Angst vor Verdrängung;
 (4) strategische Flächenreserve für soziale Infrastrukturbedarfe;
 (5) nicht überschussorientierte Bewirtschaftung und direkte politische Steuerung eines bedeutsamen Anteils an Wohnungen in der Stadt;
 (6) Demokratisierung der Bewirtschaftung und umfassende Mieter:innenmitbestimmung.
 Kein anderes Instrument ist ansonsten in der Lage das alles zu leisten, deshalb gibt es zur Vergesellschaftung für uns auch keine Alternative. Neben der Vergesellschaftung braucht es aber auch weitere Instrumente insbesondere handlungsfähige landeseigene Wohnungsunternehmen.

Weiter werden wir Themen in den Fokus stellen, die „im Umfeld“ der Vergesellschaftung liegen, also etwa das Geschäftsmodell der finanzialisierten Wohnungswirtschaft, Missstände in der Bestandsbewirtschaftung privater Wohnungsunternehmen oder die Struktur des Berliner Wohnungsmarktes und die Verteilung der Eigentumsverhältnisse.

Dass die Vergesellschaftung rechtssicher und sehr deutlich unter dem Verkehrswert möglich ist – davon sind wir überzeugt. Wir wollen die Kommission v.a. für eine zusätzliche Substanzproduktion nutzen. Unabhängig davon werden wir auch selbstständig eigene Impulse setzen und an offenen Umsetzungsfragen weiterarbeiten. Dazu gehört auch zu (Teil-)Aspekten, etwa zur Frage der Trägerschaft vergesellschafteter Immobilienbestände (AöR vs. Bodenstiftung), eigene Positionen und Stellungnahmen zu erarbeiten, die für die Erarbeitung eines Gesetzes nützlich sind und darüber mit der Stadtgesellschaft in den Dialog zu treten.

Wir sehen uns als Garant für die Umsetzung des Ergebnisses des Volksentscheides und  werden dieses aktiv vertreten. Daran hindert uns auch keine Koalitionsraison.  In unserer öffentlichen Begleitung der Kommission werden wir  weiter verdeutlichen, dass die Vergesellschaftung von Grund und Boden privater Immobilienunternehmen ein elementarer Baustein in der Lösung der Wohnungskrise ist und wir an einer rechtssicheren und finanziell leistbaren Umsetzung mit vollem Einsatz arbeiten.

Konkrete Formate und Strukturen

Die Fraktion wird weiter mit einer AG Vergesellschaftung aus Fraktion, Partei und Senat die Kommission begleiten, ihre Arbeit und Zwischenstände bewerten, auftretende politische Konflikte bewerten und für die Partei aufbereiten sowie  wichtige Teilfragen analysieren und an ihnen weiterarbeiten und so Impulse in die Stadtgesellschaft setzen.

Gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und anderen geeigneten Partner:innen, wie stadtpolitischen Initiativen und Verbänden, werden  wir einen Begleitkreis bilden, der Debatten und Zwischenstände innerhalb der Kommission bewertet und wichtige Erkenntnisse und Aspekte für die Erarbeitung eines Vergesellschaftungsgesetzes aufbereitet. Diesen Kreis müssen wir nutzen, um in der stadtpolitischen Debatte deutlich zu machen, dass Vergesellschaftung machbar ist. Nur gemeinsam kann es gelingen, den Druck des Volksentscheides aufrecht zu erhalten und die Chancen für eine Umsetzung der Vergesellschaftung aufrechtzuerhalten.

In Form z.B. einer Veranstaltungsreihe der Fraktion werden  wir unseren Blick auf die Kommissionsarbeit und das Vorhaben sowie Themen im Umfeld der Vergesellschaftung auch regelmäßig öffentlich erörtern und im fachlichen und strategisch-politischen Dialog mit der Stadtgesellschaft bleiben.

Wir streben an, mit einem Vergesellschaftungskongress, z.B. im Herbst 2022, dem Thema noch einmal eine besondere Deutlichkeit zu verleihen.

Mit der Organisation eines Sammelbandes juristischer, wohnungswirtschaftlicher und -politischer Artikel sowie parlamentarischer Initiativen können  wir ein Schrifttum generieren, das in Fachdebatten aufgegriffen, verarbeitet und so neue Erkenntnisse zu Tage fördern könnte. Schließlich könnte es auch für etwaige Gerichtsentscheidungen sinnvoll sein, progressive und dem Vorhaben positiv aufgeschlossene Expert:innen Artikel produzieren zu lassen, die ja nicht alle Teil der Kommission werden oder ein Gutachten erstellen können.